Blogreihe: EPU und Kleinstunternehmen in der Corona-Krise

Econ Blog 1 - EPU und Kleinstunternehmen in der Corona-Krise: Hohe Umsatzverluste und wenig Hoffnung auf eine rasche Besserung

Zusammenfassung
  • 80% der befragten EPU und Kleinstunternehmen haben durch die Corona-Krise mindestens die Hälfte ihres Umsatzes eingebüßt.
  • Die Hälfte der Befragten erlitt einen annähernd vollständigen Umsatzverlust (über 90%). Im Bereich der Kunst, Unterhaltung und Erholung trifft dies sogar auf drei Viertel der Befragten zu, im Bereich der Beherbergung und Gastronomie auf zwei Drittel der Befragten.
  • Die befragten EPU und Kleinstunternehmer*innen erwarten für die unmittelbare Zeit nach Wiederaufnahme des Betriebs keinen Kundenansturm und keine rasche Umsatzerholung. Weniger als 20% der Befragten glauben, dass sich ihre Umsätze innerhalb von drei Monaten erholen werden, mehr als 25% rechnen damit, dass dies länger als ein Jahr dauern wird.
  • Ein Drittel der Befragten schließt aus, in Folge der Corona-Krise die bisherige unternehmerische Tätigkeit einzustellen. Zwei Drittel erachten dies als möglich, die meisten von diesen jedoch als nicht sehr wahrscheinlich.

Im Rahmen der Forschung zur Corona-Krise am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien haben wir im Zeitraum vom 15. bis 24. April EPU und Kleinstunternehmer*innen[1] zu ihrer derzeitigen wirtschaftlichen Situation befragt. In diesem Blog-Beitrag diskutieren wir, wie sich die Umsätze der Befragten in der Corona-Krise entwickelt haben und welche Umsatzentwicklungen die Unternehmen unmittelbar nach der Wiederaufnahme des Betriebs erwarten.[2]

Mehr als 800 Unternehmer*innen haben sich an unserer Online-Umfrage zwischen 15. Und 24. April beteiligt. Davon haben über 600 die Umfrage (annähernd) vollständig ausgefüllt. Zu diesen zählen 477 Ein-Personen-Unternehmen und 87 Kleinstunternehmen.[3] Von diesen N=564 sind 66% in der Dienstleistungsbranche (inkl. Gastronomie und Beherbergung), 6% im Handel, und 28% in anderen Branchen tätig.

Abbildung 1 illustriert die Entwicklung der Umsätze der Befragten seit Beginn der Corona-Krise. Nur ein Prozent von ihnen gibt an, ihren Umsatz gesteigert zu haben, bei weiteren 16% blieben die Umsatzverluste auf unter 50% beschränkt. Mehr als 80% der EPU und Kleinstunternehmer*innen in Abbildung 1 haben Umsatzverluste von über 50% hinnehmen müssen, mehr als die Hälfte erlitt sogar einen (beinahe) vollständigen Umsatzeinbruch von über 90% durch die Corona-Krise. EPU sind stärker von Umsatzeinbußen betroffen als Unternehmen mit eins bis neun Mitarbeiter*innen. Diese Unterschiede sind jedoch nicht statistisch signifikant.

Abbildung 1. Umsatzverluste (in %) seit Beginn der Corona-Krise. Fragestellung: „Wie hoch schätzen Sie Ihren Umsatzverlust seit Beginn der Corona-Maßnahmen ein (in %)?“. N=552.

Betrachtet man die Umsatzverluste in einzelnen Branchen (Abbildung 2) erkennt man deutliche Unterschiede. Insbesondere im Einzelhandel sowie im Bereich der freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sind die erlittenen Verluste kleiner als in anderen Branchen. Dies liegt wohl einerseits an der vergleichsweise guten Möglichkeit dieser Branchen, Güter und Dienstleistungen online zu verkaufen bzw. zu erbringen, andererseits spielt wohl auch die teilweise Öffnung des Einzelhandels im Befragungszeitraum eine Rolle. Dennoch kann man in Anbetracht unserer Ergebnisse nicht davon sprechen, dass diese beiden Branchen nicht hart von der Corona-Krise getroffen wurden: auch in diesen Branchen geben jeweils 40% bzw. 32% der Unternehmen an, Umsatzverluste von über 90% erlitten zu haben. In der Beherbergung und Gastronomie (68%) sowie im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung (75%) sind jedoch deutlich mehr Unternehmen mit Umsatzverlusten in dieser Größenordnung konfrontiert. Der Anteil derjenigen Unternehmen, die Umsatzeinbußen über 90% erlitten haben, ist im Kunst- und Kulturbereich statistisch signifikant höher als in anderen Branchen (mit Ausnahme der Gastronomie).[4]

Abbildung 2. Umsatzverluste (in %) seit Beginn der Corona-Krise - Branchenvergleich. N=552.

Rechnen die befragten Unternehmen in den Wochen unmittelbar nach Wiederaufnahme ihres Betriebs mit einem Kundenansturm und dementsprechend hohen Umsätzen? Abbildung 3 veranschaulicht, dass dies nicht der Fall ist: die Umsatzerwartungen der EPU und Kleinstunternehmer*innen innerhalb der ersten beiden Woche nach Wiederaufnahme des Betriebs, relativ zu den durchschnittlichen Umsätzen in einem Vergleichszeitraum vor der Corona-Krise, sind gedämpft. Nur sehr wenige glauben an eine unmittelbare Erholung ihrer wirtschaftlichen Einnahmen auf das Vorkrisenniveau. Mehr als 30% der Befragten in jeder Branche erwarten Umsätze im Bereich von unter 20% der üblichen Umsätze, im Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung sind dies sogar mehr als die Hälfte der Befragten. In diesem Bereich, sowie in der Gastronomie, erwartet auch kein einziges befragtes Unternehmen Umsätze über dem Niveau des Vergleichszeitraums; in anderen Branchen (Freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen, sonstige Dienstleistungen, andere Branchen) gibt es durchaus Unternehmen mit dieser Erwartung, es sind jedoch jeweils deutlich unter 10% der Befragten.

Abbildung 3. Umsatzerwartungen unmittelbar nach Wiederaufnahme des Betriebs. Fragestellung: „Welche Umsätze (ausgedrückt in % des durchschnittlichen Umsatzes im Vergleichszeitraum vor der Corona-Krise) erwarten Sie durchschnittlich pro Tag in den 2 Wochen nach Wiederaufnahme des Betriebs?“. N=563.

In weiterer Folge haben wir die Unternehmer*innen befragt, wie lange es ihrer Einschätzung nach dauern wird, bis sich ihre Umsätze erholen werden (d.h. auf bzw. über dem Vorkrisenniveau liegen werden). Abbildung 4 illustriert die Antworten auf diese Frage. Jede* Fünfte erwartet eine vergleichsweise rasche Erholung innerhalb von drei Monaten, knapp die Hälfte der Befragten rechnet damit, dass es zwischen vier und zwölf Monaten dauern wird. Ein Viertel der Befragten erwartet eine Rückkehr zu Vorkrisenumsätzen erst nach einem Jahr oder später. Die befragten Unternehmer*innen gehen also von einer durchaus langen wirtschaftlichen Durststrecke aus. Da ein Großteil von ihnen im Dienstleistungsbereich tätig ist, wird es überdies für viele sehr schwierig werden, aktuell entgangene Umsätze zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen.

Vor dem Hintergrund der Erwartung langanhaltender wirtschaftlicher Schwierigkeiten stellt sich die Frage, ob zahlreiche EPU und Kleinstunternehmer*innen im Zuge der Corona-Krise ihre Tätigkeit einstellen werden. Abbildung 5 veranschaulicht, dass ein Drittel der Befragten es zum Zeitpunkt der Befragung ausschließt, die bisherige unternehmerische Tätigkeit einzustellen. Zwei Drittel der Befragten erachten dies für möglich, wenngleich viele davon als nicht sehr wahrscheinlich. Nur etwa 20% der Befragten beziffern die Wahrscheinlichkeit, dass sie ihre bisherige unternehmerische Tätigkeit einstellen werden, mit über 50%.

Abbildung 4. Erwartete Dauer, bis die Umsätze wieder das Vorkrisenniveau erreichen. Fragestellung: „Wie lange glauben Sie wird es dauern, bis sich Ihre Umsätze wieder auf bzw. über dem Niveau vor der Corona-Krise befinden werden?“. N=564.

Abbildung 5. Subjektive Wahrscheinlichkeit, die bisherige unternehmerische Tätigkeit einzustellen. Fragestellung: „Wie hoch schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass Sie aufgrund der Corona-Krise Ihre bisherige unternehmerische Tätigkeit einstellen werden?“ N=564.

Schlussfolgerungen

Die von uns befragten heimischen EPU und Kleinstunternehmer*innen haben durch die Corona-Krise erhebliche Umsatzeinbußen erlitten, und sie erwarten eine sehr langsame Erholung ihrer wirtschaftlichen Situation. Dennoch zeigen sie sich kämpferisch: die große Mehrheit der Befragten sieht es als unwahrscheinlich an, die bisherige unternehmerische Tätigkeit aufgrund der Corona-Krise einzustellen.

Unsere Ergebnisse basieren auf einer Online-Befragung im Zeitraum 15.-24.April. Zum Befragungszeitpunkt waren behördliche Abstandsregeln in Kraft, die nur eine Auslastung von einem Kunden pro 20 Quadratmeter Betriebsfläche erlaubten. Es ist zu hoffen, dass die Lockerung dieser Abstandsregeln auf einen Kunden pro 10 Quadratmeter, die mit 1. Mai in Kraft getreten ist, die Unternehmer*innen nun optimistischer in die Zukunft blicken lässt. Zukünftige Befragungen werden dazu einen quantitativen Aufschluss geben können.

In unserem nächsten Blog-Beitrag (geplant für den 8. Mai 2020) werden wir diskutieren, wie die befragten EPU und Kleinstunternehmen zu den Corona-Hilfsmaßnahmen der Regierung stehen.

Fussnoten

[1] Als Kleinstunternehmen bezeichnen wir Unternehmen mit eins bis neun Mitarbeitern.

[2] Da es sich bei der Online-Befragung nicht um eine repräsentative Erhebung der Grundgesamtheit der Unternehmen handelt, sind robuste Rückschlüsse auf alle Unternehmen nur eingeschränkt möglich. Unsere Ergebnisse sollten vor diesem Hintergrund als Indikatoren für die Grundgesamtheit interpretiert werden.

[3] Geringere Teilnehmerzahlen gab es bei Klein- und Mittelbetrieben mit mehr als 9 Mitarbeiter*innen sowie Non-Profit-Organisationen. Für diese lassen sich aufgrund geringer Fallzahlen keine verlässlichen Aussagen treffen. Aus Qualitätssicherungsgründen werden diese daher nicht in unserer Auswertung berücksichtigt.

[4] Die Irrtumswahrscheinlichkeit liegt jeweils unter 1%.

 

 


Paul Pichler ist assoziierter Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.
Philipp Schmidt-Dengler ist Professor am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.
Christine Zulehner ist Professorin am Institut für Volkswirtschaftslehre der Universität Wien.